Lot zu Lot: » Grade muss es sein! Senkrecht nach unten fallen! Damit es
sicher stehen kann, das Haus.«
Daraufhin Lot zu Lot: »Willst du so den Jordangraben vermessen?
Fruchtbares Land, das ich mir zum Siedlungsgebiet erwählt hatte.
Aber Gott hat uns bestraft. Es war uns untersagt, auf der östlichen Seite
des Jordan Gebiete zu beanspruchen und Krieg gegen die aus Edon, Moab
und Adon zu führen. Denn auch die sind Söhne aus meinem Geist und
Geschlecht. Vernichtet wurde das alles: Sodom und Gomorrha. Mein Weib,
auf der Flucht, zu einer Salzsäule erstarrt. Ich sehe sie hinter mir, muss sie
zurücklassen. Zu Flöz und Schacht in einem Bergwerk wird sie später.
Salz zu Salz. Alles war verwüstet und zerstört, ich aber konnte mich auf
die östliche Seite des Jordan retten. Es war eine Strafe. Meine Töchter
haben mich dort später betrunken gemacht, um mit mir zu schlafen.«
Lot zu Lot: »So komme heiliger Schlaf über uns alle. Schlafwandlerische
Sicherheit: Das Messgerät hänge an stabilem Faden, damit der Mauerbau,
das große Haus für alle, die Synagoge, vollendet werden kann.«
Der Band zeigt in Bildsequenzen die Entstehung der Skulptur »Lots Weib«, die auf der Kulturellen Landpartie 2010 in Neu Tramm, Wendland, zu sehen war. Der Begriff/ der Name Lot hat hier zwei Bedeutungen, die in ihrer Gegenüberstellung erkundet werden. Lot heißt der Mann in der Bibel, dessen Frau zu einer Salzsäule erstarrt, da sie sich, ein Gebot Gottes mißachtend, umschaut. Lot heißt aber auch das Maurerlot, mit dem ausgelotet wird, ob eine Fläche, eine Wand etwa, grade gesetzt ist. Es wird geschaut, ob sie sich »im Lot« befindet, sicher steht, der Schwerkraft ausgesetzt. Der umfangreiche Band wird durch die Gedichte vervollständigt, die die Arbeit daran damals abgerundet haben. Da der Band nahezu vergriffen ist, sind leider nur noch wenige Exemplare erhältlich. Die Bände sind vom Künstler handsigniert.
Lots Weib
Umwirft sich mit einer Hülle,
tritt aus dem Schatten hervor:
Hüte die Herden in Kanaan, Knan,
bade und wandle im Toten Meer.
Willst du ein Gerechter sein, führe
die Zunge wild redend, sei Glossolalist.
Wie dir der Schnabel gewachsen ist,
Vater. Wie du es eingibst in Büsche und
Schnauzen, kläffende räudige Hunde
kraulst. Aus Alabaster und Marmor die
Stehlen: Alkestis, Gradiva, Venus von Milo,
Säulenheilige, schneeweiße blutleere Frauen –
Salz hortende Huren, Pökelfleisch einkochende
Engel. Umrötete Spur. Schau dich nicht um.
Plumpsack geht herum. Schwingt die Moralkeule.
Lässt sie fahren hernieder. Steigt Rauch auf,
flieht Lot in die Berge. Begattet die eigenen
Töchter, volltrunken, in einer Höhle, vom
Vollmond beschienen. Dreh dich nicht um.
Im Umschauen versteinert der Blick. Entzieht
sich den Augen das Wasser. Salz wird zu
Steinsalz, Flöz und Schacht. Treibt mit dem Regen
zurück in die Augen, wässert sich, schäumt.
Tränenwürze, Meereswurzel. Feuer und Schwefel,
Schwarzpulver, Lunten und Leute, die
an ihnen fackeln.
Vor einem Foucaultschen Pendel
Lange Schnur, große Pendelmasse,
schweres Lot: Die Eigenrotation
der Erde bringt es in Bewegung –
Corioliskraft, die eine Rosettenbahn
in den Sand zeichnet, eine Blüte,
annähernd ebenmäßig ausgerichtet
die einzelnen Blätter, wie in der
mit Zirkel auf weiches Papier bunt
ausgemalten Schulübung zur Geometrie:
ausgerichtet am Radius, in Variation
des zugrunde liegenden Kreises,
Form werdende Bewegung,
die um so größer wird, je weiter sie
vom Äquator entfernt getestet wird.
Annähernd symmetrisch auch
die Blütenbildung in der Natur:
Umwandlungen aus sich selbst: Kelche
und Blätter, um Fruchtnarbe und Fäden,
in die Verwandlung gezogen
durch Erdrotation und Licht.
Blätter und Blütenstände wachsen
in einer Spiralbewegung einander zu,
um die Sprossachse geordnet, im
Verhältnis Goldener Winkel.
Fußen der Ausschlag des Pendels,
der Tiefdruckwolkenwirbel über Island,
die Spirale der Whirlpoolgalaxis,
– Makro- und Mikroerscheinung –
die im Querschnitt sichtbar werdende
Form der Nautilusschnecke und
die Sonnenblumenblüte, mit ihren
34 und 55 gegenläufig sich drehenden
Fibonacci-Spiralen, Samenkapseln
im Blütenstand, auf ein und
derselben formbildenden Ursache?
Lässt sich so die Entstehung und
Reifung des Lebens deuten, ihr
Ursprung, ihre Mitte, ihr immer
währender Verfall? Ihr: verwandelt
kehr ich als dieselbe wieder? –
ihr Hineingeschraubt sein in die Welt?
ihr spiraldrehe dich mit ihr, entstehe,
vergehe, immer wieder neu?
Logarithmische, wundersame Spirale:
Bilde und binde sich sehend verstehend
aus ihren Gebilden wieder und wieder
Mensch, Blume, Blüte und Strauß.
In der edition eY Nr. 5
2015 erschienen
Vom Künstler handsigniert
Softcover mit Einschlag
96 Seiten
Gedichte:
Leviter contacta movetur
Durch leichtes Berühren wrid er bewegt
Lots Weib
Gomorrha
Vor einem Foucaultschen Pendel
Der vitruvianische Mensch
V 155/ 2
Twin Peaks / Das Gleichgewicht
Cosmos und Damian
Türme bauen, ein Pegel
Man on wire
Re-Sonanz (für Elke Erb)
Einen Turm bauen (für Jakob und Moritz)
63 Fotos
13,0 x 1,1 x 20,5 cm (BxTxH)
ISBN 978-3-00-048104-8
64 Euro zzgl. Versand (Da nur noch wenige Exemplare vorhanden!)